Die Klimakrise bedroht unsere Zivilisation – das ist Fakt. Pumpen wir weiter Rekordmengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre, dann wird das System dermaßen kollabieren, dass eine stabile Zivilisation (wie wir sie heute kennen) nicht mehr möglich ist. Darin sind sich alle einig.
Man möchte nun meinen, dass eine Vorbereitung auf den Worst Case ebenso sinnvoll wäre, wie der Versuch, es gar nicht so weit kommen zu lassen. Analog zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine: Ist die Front bedroht, so wird viel Energie in die Verteidigung gesteckt – auf einen möglichen russischen Durchbruch bereitet sich die Ukraine trotzdem vor.
In der Klimabubble herrscht ein anderer Vibe. Oftmals im selbstreferenziellen Echo gefangen, geht es selbst heute noch um das (illusorische) Einhalten der 1,5°-Grenze. Hierfür werden technische, gesellschaftliche und politische Ansätze formuliert: Pack dir Solar aufs Dach, geh auf die Klimademo, wähle keine fossilen Parteien, Pflanze einen Baum! Wir haben es also mit Menschen zu tun, die den (möglichen) Kollaps aufhalten wollen: Nennen wir sie „Hopers“.
Es hat sich in den vergangenen Jahren eine weitere Lesart der Klimakatastrophe herauskristallisiert: Die „Doomers„. Hierbei handelt es sich um Menschen, die davon ausgehen, dass der klimatisch-zivilisatorische Kollaps nicht mehr aufzuhalten ist. Der Fokus liegt also weniger auf Klimaschutz, er liegt auf der Vorbereitung für das, was nach dem Scheitern kommt. Dass der Blick auf einen möglichen Kollaps nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, macht ein Zitat des renommierten Klimaforschers Hans Joachim Schellnhuber deutlich:
Man könnte nun meinen, die Klimabubble wäre dazu in der Lage, sowohl kurativ (Klimaschutz) als auch prophylaktisch (Kollapsvorbereitung) zu arbeiten – kooperativ und Hand in Hand. Doch weit gefehlt, das Miteinander von Hopers und Doomers gleicht einer Schlägerei in der Familie. Zielführend? Mitnichten! Doch warum ist das so?
Selbstwirksamkeit
Es ist psychologisch bekannt, dass der Mensch (u.a.) davon getrieben ist, die eigene Wirkung auch gespiegelt zu bekommen: Das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Was grundsätzlich ein nützlicher Mechanismus ist, bringt mehrere Probleme mit sich:
Das Gefühl von Selbstwirksamkeit ist nicht zwingend an die tatsächliche Wirkung gekoppelt. Bei kleinen Kindern sehen wir es deutlich: Wir lassen sie im Fußballspiel gewinnen (obwohl sie 12:0 verlieren müssten) und geben ihnen damit das motivierende [sic!] Gefühl, selbst für den Sieg gesorgt zu haben. Bei Erwachsenen sehen wir diese Entkoppelung am PS-Boliden: Der Fahrer sitzt faul herum und wackelt mit dem Fuß, während die fühlbaren PS vom Motor stammen – sie machen den Rausch von Kraft und Tempo erst möglich, wobei der Fahrer austauschbar ist. Auch die Aktienspekulation ist ein anschauliches Beispiel: Wer damit reich wird, dass Algorithem und Marktmechanismen glücklich für ihn laufen (oder für sie), fühlt sich gerne wie ein Eroberer der Welt – ohne je etwas erobert zu haben.
In der Klimaforschung ist die Selbstwirksamkeit eng mit der eigenen Forschung verknüpft: Klimaforscher forschen und kommunizieren, um den klimatischen Kollaps zu verhindern. Stellt sich nun jemand hin und sagt (auf stabiler Datengrundlage, by the way), dass der Kollaps nicht mehr zu verhindern ist, dann greift folgende Verknüpfung: Es fühlt sich an, als würde der Doomer nicht nur den Misserfolg der Kommunikation kritisieren, sondern den Lebensweg des Klimaforschers grundsätzlich infrage stellen: „Du hast Jahrzehnte lang geforscht, deine Forschung ist aber wertlos, weil das Klima trotzdem kollabiert!“ Ein harter Schlag in die Magengrube der Selbstwirksamkeit.
Anders herum aber genauso: Die Hopers haben eine positive Geschichte zu erzählen, eine Geschichte der Hoffnung, während die Doomers mit Szenarien drohen, die uns eher an australische Science-Fiction-Filme erinnern. Da liegt es in der Natur der Sache, dass die Hopers in der Breite der Gesellschaft andockfähiger sind. Dass die Doomers weniger gehört werden und dass die Hopers daran schuld seien, weil sie die Doomers nicht zu Wort kommen lassen, ist eine gängige Rede in der Doomerbubble. Doch die Welt ist groß genug, und wer öffentlich kaum stattfindet, sollte zuerst die eigene Öffentlichkeitsarbeit hinterfragen: Gerade im schwierigen Umfeld ist eine (möglichst) professionelle Öffentlichkeitsarbeit elementar!
Ideologische Narrative
Ein ideologisches Narrativ aus der erweiterten Klimaszene (progressives Bürgertum) ist, dass die ideologischen Narrative nur bei den Bösen zu finden seien: Querdenker, Rechtsradikale, Klimawandelleugner und so weiter. Ein weiteres ideologisches Narrativ hat sich – zum Schaden der Szene – hartnäckig festgesetzt: „Wir müssen die Leute mit positiven Geschichten mitnehmen!“
Ja, positive Geschichten sind gut, motivationale Mitnahmeeffekte sind wertvoll. Doch haben sie ihre Schwächen: Einerseits erzeugen sie keinen Handlungsdruck. Wir selbst sollten am besten wissen, dass wir uns in erster Linie aus Sorge um die Zukunft engagieren, nicht aufgrund eines schönen Mitnahmeeffekts. Dazu kommt, dass die Menschen merken, wenn sie angelogen werden – und damit ist jeder Mitnahmeeffekt dahin. Die Lüge ist die, das Problem wäre irgendwie nur ein Katalysator für ganz tolle (Stadtbegrünung) und ganz großartige (EE) Dinge, die uns in eine blühende Zukunft führen. Der Doom des drohenden Kollaps stört in dieser Geschicht nur.
Und vice versa: Um die Dringlichkeit zu kommunizieren, mit der wir uns dem drohenden Unheil anpassen müssen, seien schöne, positive Geschichten doch nur Ballast, der uns den Blick auf das Elementare verwässert: Feenstaub in die verweichlichten Äuglein! Sicherlich besteht die Gefahr, dass wir als Gesellschaft die Dringlichkeit arg unterschätzen (was wir tun!), und sicherlich wäre eine ehrliche Auseinandersetzung mit Klimakrise, Artensterben und all den längst gerissenen planetaren Grenzen wünschenswert – gerade in Hinblick auf die Prophylaxe (bei den Zähnen so wichtig, beim Klimakollaps ein Frevel). Doch der Ignoranz, auf die die Doomer regelmäßig treffen, liegen archaische Muster im Zusammenspiel mit den Mechanismen einer Gesellschaft zugrunde, nicht die bösen Hopers, die den Doomers ihren Auftritt nicht gönnen würden.
Narzissmus
Narzissmus kann stark und weniger stark ausgeprägt sein, doch wann immer er auftritt, folgen Kritikunfähigkeit und die Suche nach Rampenlicht auf dem Fuße. Leider ist es kaum zu übersehen, dass auch die Klimabubble narzisstische Tendenzen mit sich bringt. So hat sie sich in Windeseile von einer Jugendrevolte (FFF) zu einer Show auf öffentlicher Bühne gewandelt. Wirksamkeit wird oft in Klicks und Buchplatzierungen gerechnet, es existieren klare Hierarchien der „Wichtigkeit“ (Stichwort: Argumentum ad verecundiam) und wer die medialen Knöpfchen zu drücken weiß (am besten mit einer Redaktion im Hintergrund), ist bald eine gewichtige Stimme im Klimaland.
Was nicht verwundert, denn archaische Mechanismen greifen bei jeder größeren Gruppe, ganz gleich ob es die Wissenschaftsbubble oder der Fanclub des FC Schalke ist. Einer dieser Mechanismen ist die unerträgliche Nähe des Anderen: Schalke vs. Dortmund, Köln vs. Düsseldorf, Israel vs. Gaza, Zicke vs. Zicke, Straßenschläger vs. Straßenschläger, Soutpark, vs. Simpsons, Katze vs. Hund… und so weiter. Auch in der Klimabubble sehen wir diesen Drang zum Gegeneinander: Sowohl Hopers, als auch Doomers, machen sich den Platz streitig, wie zwei Kinder im Sandkasten, die sich nie besonders leiden konnten. Metaphorisch eine Schlägerei in der Familie!
Ohne Hoffnung wird es schwierig
Nichts ist schädlicher für die Motivation, als die Hoffnungslosigkeit. Für die Hoffnung/Motivation ist jeder Schritt in Richtung Klimaschutz ein wichtiger, ganz gleich ob dieser Schritt den drohenden Kollaps nun aufhalten oder nur verzögern kann – oder eben nicht. Auch dem Verzögern liegt ja eine Hoffnung inne, wenngleich oft eine illusorische: Erst verzögern wir den Kollaps, dann fallen uns technische Wunder in den Schoß, die aus dem Verzögern wiederum ein Aufhalten machen. Nun hoffen die Hopers auf Erfolg im Kampf gegen den Kollaps, während die Doomers auf den Aufbau resilienter Strukturen hoffen.
Diese beiden Hoffnungswege (Klima retten, Kollapsprophylaxe) negieren sich gegenseitig: Wer sich auf den Kollaps vorbereitet, untergräbt die Hoffnung der Hopers, dass der Kollaps nicht kommt. Wer nun über Hoffung und Chancen auf eine glücklichen Zukunft referiert, untergräbt die Hoffnung der Doomers, dass sich die Gesellschaft auf den Kollaps vorbereiten würde – weil die schöne Rede den Kollaps negiert: Kollapsprophylaxe nicht mehr nötig!
Die Hoffnung stirbt nicht nur zuletzt. Wenn sie stirbt, dann bleibt nicht mehr viel übrig, woran sich die menschliche Psyche halten kann. Es bleibt zu vermuten, dass hier das größte Beil zwischen Hopers und Doomers begraben liegt: „Nimm mir die Hoffnung und ich wende mich gegen dich!“
Fazit
Der Sandkasten namens „Klimadebatte“ ist wahrlich groß genug, dass Hopers, Doomers und alle weiteren Strömungen ihren Platz darin finden können. Auch Motivation und Ziel sind gleich: Die Angst vor einem klimatisch-zivilisatorischen Kollaps und der Versuch, das Beste aus der heutigen Situation zu machen. Einzig in der Bewertung der Situation unterscheiden sich Hopers und Doomers: Ist der Kollaps noch aufzuhalten oder müssen wir uns schleunigst auf ihn vorbereiten? Im Angesicht des doppelten Scheiterns (Hopers scheitern mit Klimaschutz, Doomers scheitern mit Prophylaxe), sitzt der Reflex der Schuldsuche in beiden Strömungen recht locker. Die Blüten der Schuldsuche sehen wir, wenn sich Hopers und Doomers gegenseitig die Sachlichkeit absprechen, sich die Schuld für die eigene Wirkungslosigkeit zuschieben, und nicht zuletzt: Blocken, negieren, verhindern, verachten!
Zur Güte soll nun ein ketzerischer Gedanke in den Debattenraum gestellt werden:
Kann es unter erwachsenen Menschen möglich sein, Hand in Hand für Klimaschutz zu kämpfen, und sich gleichzeitig auf ein mögliches Scheitern vorzubereiten? Denn so groß sind die Unterschiede zwischen Hopers und Doomers nicht…
Differences // CBeebies from Joshua Neale on Vimeo.