Eine kleine Metaphernschau


Komplexe Zusammenhänge, weit abseits der eigenen Expertise, sind oftmals schwer zu begreifen. Wir erleben es täglich, zum Beispiel wenn Jan Fleischhauer Wetter und Klima verwechselt. Da wir von den Menschen nicht erwarten können, dass sie hoppla hopp ihre Kognition schulen und ein klimarelevantes Studium abschließen, heißt eine der pragmatischeren Lösungswege: Metaphorik.

Die Metapher übersetzt einen Sachverhalt in ein themenfremdes Beispiel, die komplexen Inhalte werden dabei vereinfacht: Eine Metapher ist also keine Analyse, sondern eine Draufsicht. Und sie ist eine Verfälschung, was summa summarum dazu führt, dass gerade innerhalb der Naturwissenschaften eine nahezu strukturelle Scheu davor herrscht, in der Öffentlichkeitsarbeit Metaphern zu gebrauchen.

Dass sich Politik und Gesellschaft wissbegierig auf jede sperrige Klimastudie stürzen, ist in diesem Zusammenhang ein weit verbreiteter Irrglaube. Da kommt der hochgebildete Elfenbeinturm daher und spricht viel mehr mit sich selbst, als dass er dazu bereit wäre, die breite Masse zu addressieren. Im Ergebnis sehen wir: Politische Entscheidungen, wirtschaftliche Entscheidungen und das Verhalten der Menschen huldigen dem zerstörerischen „Weiter so!“ und wissen oft gar nicht, dass sie sich selbst die Zukunft asphaltieren. Es hat ihnen ja kaum jemand verständlich gemacht.

Die Metapher respektiert das Sender-Empfänger-Prinzip – ein Grundkonzept erfolgreicher Kommunikation. Es sagt aus, dass der Sender dafür verantwortlich ist, wieviel Inhalt beim Empfänger ankommt. Und das macht auch Sinn: Würde ich diesen Text auf Esperanto verfassen, würdest du ihn nicht verstehen. Also liegt es am Sender, die Botschaft empfängergerecht zu verpacken.

Und so kommt die Metapher ins Spiel. Will ich einen Sachverhalt verständlich machen, ohne die nötige Expertise bei meinem Gegenüber erwarten zu können, dann ist sie ein nützliches Werkzeug. Sie fasst eine Aussage in eine Form, die für das Gegenüber akzeptabel und verständlich ist. Der Inhalt wird dabei zwar vereinfacht und übersetzt, was ihn trotzdem nicht negiert. Hier hilft uns tatsächlich eine Metapher: Die Aussage einer sudanesischen Wissenschaftlerin (Studie) für deutsche Grundschulkinder (Öffentlichkeit) übersetzt, mag verändert und vereinfacht sein, die Kernaussage bleibt enthalten.

Sehen wir uns nun ein paar Metaphern an, die wir im Rahmen der Klimadebatte gut und gerne verwenden können:

1. Schwarzer Hautkrebs

Der Klimawandel ist wie schwarzer Hautkrebs: Auch wenn anfangs wenig davon zu sehen ist (hier und da ein Extremwetterereignis, kleiner schwarzer Fleck am Bein), ist das Problem im System schon riesengroß. Wer auf schwarzen Hautkrebs nicht frühzeitig reagiert, landet in der Kiste.

2. Schlangengift

428,59 ppm CO2 in der Atmosphäre (Stand 27.04.2024) ist relativ wenig. Wir rechnen in Parts per Million, also 428,59 Anteile CO2 auf 1.000.000 Anteile atmosphärischer Gase. Was in absoluten Zahlen tatsächlich wenig ist, ist in seiner Wirkung immens. Wer also die kleine Zahl für ungefährlich hält, solle seiner Blutbahn 428,59 ppm Schlangengift zuführen. Der Tod tritt schnell ein – das Scheinargument der kleinen Zahl ist widerlegt.

3. Auto ➞ Wand

„Es war schon viel wärmer auf der Welt, als heute!“ Stimmt, wo ist also das Problem? Nehmen wir metaphorisch ein Auto. Dieses Auto stand schon sehr oft an der Hauswand XY, denn dort wohnt der Besitzer. Nun fährt der Besitzer mal wieder in Richtung Hauswand – diesmal jedoch mit 200 kmh, die Wand ist 5 Meter entfernt. Wir sehen: Auch wenn das Auto schon oft dort stand (analog: auch wenn die Temperaturen auf der Erde schon oft so hoch waren), ist der entscheidende Faktor doch die Geschwindigkeit, mit der man sich diesem Zustand (Wand, Temperatur) nähert.

4. Infraschall

Mehr Vergleich als Metapher, ist dieser Fakt auch kommunikativ sehr wertvoll:
· Infraschall Windrad ca. 50-70 Dezibel
· Infraschall im fahrenden Auto ca. 85-110 Dezibel
· Infraschall am Strand ca. 70 Dezibel (.pdf)
Selbst eine normale Unterhaltung kann einen höheren Schalldruck aufweisen, als eine WEA, wie uns diese Grafik anschaulich zeigt:

5. Der Kühlschrank im brennenden Haus

Wenn mal wieder Schnee fällt, und das halbe Internet darüber referiert, es könne keinen Klimawandel geben: Steht dein Haus in Flammen, dann wird irgendwann der Kühlschrank platzen. Platzt der Kühlschrank, so liegt erstmal Eis auf dem Boden. Ergo: Es ist an einer Stelle am Boden kälter als normal, weil das Haus brennt. Die Kühlschrankwand kann als Jetstream interpretiert werden: Geht die kaputt, kann sie die Eiswürfel/Polkälte nicht mehr zurückhalten.
By the way: „Unser Haus brennt“ ist an sich schon eine Metapher. Wie wir wissen, ist sie eingängig und wirkungsvoll.

6. Don’t Look Up

Der Film Don’t Look Up, den wir alle kennen und lieben, ist in sich eine Metapher. Teilweise für die Coronaleugner, da die Pandemie in die Produktionszeit des Films gefallen ist – der Komet Dibiasky selbst ist ein metaphorisches Bild für die Klimakrise.
Ziemlicher Hollywood-Quatsch – und trotzdem ein wertvoller Film – ist Roland Emmerichs The Day After Tomorrow. Hier wird ein klimatischer Kollaps so nachgespielt, dass auch Actiofans auf ihre Kosten kommen – und damit von Szenen erreicht werden, die z.B. die amerikanische Abschottung an der Grenze zu Mexiko hinterfragen. Und so sehr der Film wissenschaftlich weh tut, ist es sehr wichtig, die wissenschaftsfernen Menschen zu erreichen. Das tut dieser alberne Streifen.
Unter vielen weiteren Filmen, sei noch Avatar erwähnt. Diese Filmreihe macht die Liebe zur unberührten Natur und das Desaster ihrer Ausbeutung im Sci-Fi-Gewand mehr als deutlich. Und auf Platz 1 (Avatar 1) und Platz 3 (Avatar 2) der erfolgreichsten Filme aller Zeiten, konnte diese Botschaft weit verbreitet werden.

7. Krieg

Au weia, was kommt denn jetzt?
Diese Metapher zielt auf unser eigenes Verhalten in der Klimadebatte. Wir wissen, dass Klimadebatte und Klimaschutz diversen Angriffen ausgesetzt sind – orchestriert vom fossilen Lobbyismus, ausgeführt von rechts-konservativen, neoliberalen und rechtsradikalen Akteuren. Niemand wird so naiv sein, zu glauben, dass diese Angriffe unstruktireirte Zufälle wären. Ein strukturierter Angriff zwingt zur strukturierten, planvollen Verteidigung. Und hier greift die Kriegsmetapher – so sehr sie auch dem Bauchgefühl widersprechen mag: Art und Intensität des Angriffs bestimmen die Waffen der Verteidigung.

Es existieren unzählige weitere Metaphern. Andere wurden noch nicht einmal entdeckt. Folge also deiner Phantasie und achte immer darauf: Willst du eine Botschaft übermitteln, so muss die Art der Vermittlung dafür geeignet sein. Und geeignet ist Sprache nur, wenn sie auch verstanden wird. Verstanden?

Über Dominic Memmel

Eine gesunde Mischung aus Kommunikation & Menschenkenntnis
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